Sind statistische Daten Fakten?

In einem Artikel vom 02.11.2018 der Neuen Zürcher Zeitung schildert der Artikel “Das Bundesamt für Statistik schafft die Fakten für die Schweizer Demokratie. Dann macht es einen Fehler”   , wie statistische Daten offiziell verändert wurden:

“Die Statistik zur Ausschaffung von kriminellen Ausländern zeigte, dass der Staat angeblich nur 54 Prozent von ihnen ausgeschafft hatte ­– die Zahl suggerierte, dass die anderen als Härtefalle eingestuft und deshalb nicht des Landes verwiesen worden waren. Das Thema ist brisant, bisher liess sich der Effekt der Ausschaffungsinitiative nicht in Zahlen fassen. Nach der ersten Entrüstung rechnete das BfS neu: 69 Prozent. Dann löschte es die Statistik ganz von der Website.”

Sind Daten komplex, so dass sie einer Komplexitätsreduktion bedürfen, um verständlich zu sein? Sind statistische Daten Fakten oder sind sie Interpretationen? Auf welche Interpretationen einigt man sich oder sind die Interpretationen Fake-News?

“«Natürlich ist Statistik hochpolitisch», sagt Ulrich. Denn was gemessen wird und wie, ist politisch, wen man fragt und welche Fragen man stellt. «Es gibt keine Wahrheit, man kann sich nur einig sein, was man messen will.» Wie hoch ist die Armut? Die Bildung? Das Bruttoinlandprodukt? Mit den Indikatoren macht man Politik, weil man sich auf sie geeinigt hat. «Aber am Ende sucht sich in der Statistik jeder seine eigene Wahrheit, das war schon immer so», sagt Ulrich.”

“Die zurückgezogenen Ausschaffungszahlen des BfS zeigen, dass man sich immer wieder neu einigen muss, was die Fakten sind und wie sie geschaffen werden. Die Fake-News-Rufe aber haben einen Zweifel gesät: daran, dass es so etwas gibt wie Fakten, dass es überhaupt etwas gibt, worauf man sich geeinigt hat in diesem Land.”

Daten als Stimmungsaufheller-Fake

Neben der Funktion als Menetekel dienen Daten auch zur Stimmungsaufhellung:

Daten als Menetekel 5: Messstationen zur NO 2 Messung

Die Messstationen zur NO2-Messung, die nach der RICHTLINIE 2008/50/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa und der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV) Anlage 3 C. Kleinräumige Ortsbestimmung der Probenahmestellen aufgestellt werden sollten, stehen Großteils an Stellen, die den Vorgaben nicht entsprechen. Siehe dazu Holger Douglas: Große Leseraktion: Wie manipulieren Messstationen die Feinstaubmessung in Ihrer Stadt?, Tichys Einblick 23.03.2018. D.h. die Messwerte sind teilweise nicht valide und nicht miteinander zu vergleichen.

Während die Problematik von Bundesregierung und Städten ignoriert bzw. geleugnet wurden (z.B. Wiesbaden), hat die Verkehrsministerkonferenz am 19.4.2018 unter Punkt 4.2 der Tagesordnung: Luftreinhaltung b) Valide NO2 -Messungen als Grundlage für rechtssichere Luftreinhaltepläne gefordert, die Validität von Standorten von Messstellen gemäß den europäischen Vorgaben zu überprüfen. U.a. wird gefordert:
“Die Verkehrsministerkonferenz hält es für erforderlich, dass die Installation der Messeinrichtungen bundes- und europaweit nach einem einheitlichen Maßstab erfolgt, weil Vergleiche der Messergebnisse und die erforderliche rechtliche
Gleichbehandlung der vor Ort Betroffenen andernfalls unmöglich wären. Die Verkehrsministerkonferenz regt an, dass bei der Überprüfung insbesondere Fragen geklärt werden wie
a) der vorgeschriebenen räumlichen Repräsentativität der Messungen für ein größeres Gebiet in einer Stadt, nicht nur für einen kleinen Raum in unmittelbarer Nähe der Messstation,
b) der zeitlichen Relevanz hinsichtlich des Zeitraums, in dem die Bevölkerung einer relevanten Belastung ausgesetzt ist,
c) der korrekten Platzierung des Messeinlasses der Station,
d) der vorgeschriebenen Vermeidung von Messungen im Rückstau vor Kreuzungen,
e) die vorgeschriebene Vermeidung von Messungen unterhalb von Hindernissen wie z. B. Bäumen.”

Nachtrag:
Sebastian Viehmann: “Das ist Volksverdummung”. Das Diesel-Desaster: Neue Dokumentation zeigt Irrsinn von Fahrverboten, in: Focus Online 09.01.2019
Das Diesel Desaster ARD 07.01.2019 Verfügbar bis 07.01.2020

Daten als Menetekel 4: Das Geheimnis der 400.000

In der politischen Diskussion sind Daten Grundlage einer rationalen Diskussion. Daten als Menetekel verschleiern und manipulieren diese Diskussion. Das Beispiel Fachkräftemangel in Deutschland. Es sollen Fachkräfte fehlen
2005   400.000
2007   400.000
2008   400.000
2010   400.000
2017   400.000
2018   500.000

In der Schweiz fehlen bis 2030 auch Fachkräfte. Es sind – wen könnte es wundern – 400.000.

400.000 sind offensichtlich eine Zahl, mit der man Meinungsbildung in der Öffentlichkeit betreiben kann, ohne direkt in Handlungsoptionen einsteigen zu müssen. Dass es nämlich konkret einiges zu diskutieren gäbe, zeigen schon einige kritische Beiträge
„Fachkräftemangel ist ein Kassenschlager“
Jakob Osman: So führen uns Politiker und Lobbyisten in die Irre. Das Märchen vom Fachkräftemangel, Manager Magazin 09.03.2017

Nachtrag im Dezember: Wieviel Personen sind beim Einwanderungsgesetz als Fachkräfte erforderlich? Natürlich 400.000: „Nettozuwanderung von 400.000 Personen pro Jahr nötig“ WELT online 15.12.2018

Bernd Kramer: Fachkräftemangel? Schön wär’s!, in: Zeit Online 17.12.2018

Daten als Menetekel 3: 500000 Zuwanderer

Wie man aus einem Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsinstitute Menetekel- Fake-News macht

“Wir brauchen Rente mit 70 – oder 500.000 Zuwanderer im Jahr” titelt die WELT https://www.welt.de/wirtschaft/article175616647/Wir-brauchen-Rente-mit-70-oder-500-000-Zuwanderer-im-Jahr.html 19.04.2018 und fährt im Artikel fort:
“Um die Beitragssätze angesichts der neusten Versprechen der Regierung stabil zu halten, sehen die Forscher nur zwei Optionen: Entweder die Deutschen arbeiten künftig bis über 70. Oder sie gewinnen junge, erwerbstätige Zuwanderer. In dem Fall müssten den Berechnungen zufolge jährlich mehr als 500.000 Menschen ins Land kommen.”

Mit dem entsprechenden Tenor ging diese Meldung durch die anderen Medien.

Im Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsinstitute S. 61 steht das genaue Gegenteil:
“Ein Anstieg des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Rentenversicherung könnte zwar grundsätzlich durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus oder durch eine höhere Zuwanderung jüngerer Erwerbstätiger verhindert werden. Beides scheint jedoch angesichts der notwendigen Größenordnungen wenig realistisch: Um den Beitragssatz zur Gesetzlichen Rentenversicherung nach Einführung der geplanten Leistungsausweitungen langfristig auf 20 Prozent zu deckeln, müsste das Renteneintrittsalter rechnerisch auf über 70 Jahre steigen oder die Zuwanderung jüngerer Erwerbstätiger in jedem Jahr über 500.000 Personen betragen.”

Sie fordern also weder das eine noch das andere, sondern kritisieren die Rentenerhöhung der Bundesregierung.

Kann Vertrauen digital erzeugt werden?

Der Blockchain-Hype setzt darauf, dass die Prozesse und das Datenmanagment sicher und effektiver ablaufen. Sind dadurch gleichzeitig die Inhalte glaubwürdiger? Kann Vertrauen digital erzeugt werden? Kai Stinchcombe, Chef eines Finanzdienstleisters, sagt nein:

“Blockchain systems do not magically make the data in them accurate or the people entering the data trustworthy, they merely enable you to audit whether it has been tampered with. A person who sprayed pesticides on a mango can still enter onto a blockchain system that the mangoes were organic. A corrupt government can create a blockchain system to count the votes and just allocate an extra million addresses to their cronies. An investment fund whose charter is written in software can still misallocate funds.”

Das eigentliche Problem seien nach wie vor die Voraussetzungen und die Vertrauenswürdigkeit der Daten, die am Anfang der Prozesskette stehen.

Kai Stinchcombe: Blockchain is not only crappy technology but a bad vision for the future, Medium 05.04.2018

Sieht so das Internet der Zukunft aus? Die Blockchain soll das Geschäftsleben revolutionieren und eine neue Ära der Demokratie einläuten. Nun gibt es erste Dienste, die erahnen lassen, wohin die Reise geht. Tagesanzeiger 10.07.2018 

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