Ethik des Metaversums

Christiane Hanna Henkel: Zuckerberg, Facebook und das Metaversum: warum wir Meta auch in der neuen virtuellen Welt nicht vertrauen können. Mark Zuckerberg möchte die kommende Revolution des Internets anführen. Doch für das Metaversum sind weder der Multimilliardär noch sein Konzern Meta Platforms moralisch gerüstet. Neue Zürcher Zeitung 15.11.2022 stellt die Frage, einerseits, ob das Metaversum so realisiert werden kann wie intendiert und andererseits, ob nicht zur Konstruktion einer derartigen virtuellen Welt die ethischen und moralischen Grundlagen fehlen. In der virtuellen Welt sollte man mit anderen Personen und Gegenständen interagieren, mit rasanter Geschwindigkeit neue Erfahrungen und Wissen generieren und gefahrlos ausprobieren. Allerdings: “Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass wir uns in das Metaversum als Individuum in digitalisierter Form begeben, ist Vertrauen. Vertrauen, dass unser digitales Ich nicht ausspioniert, manipuliert oder anderweitig missbraucht wird. Genau das aber ist auch Teil der DNA von Meta Platforms.” Nicht nur die nahezu schrankenlose Aquisition von Daten und ihre Umsetzung in ein Werbekonzept, sondern auch die hässliche Seite des Geschäftsmodells – Verbreitung von Hass und Hetze – stellen das grundsätzliche Konstrukt und die Vertrauensbasis eines Metaversums in Frage: “Für das virtuelle Metaversum sind weder der Multimilliardär noch sein Konzern moralisch gerüstet.”

Technofeudalismus

Michael Moorstedt: Auf dem Weg zum Techno-Feudalismus. Absolute Herrscher, die ihre Launen ausleben und den “Zehnten” kassieren: Plattformunternehmen wie Twitter untergraben die Gesetze des Kapitalismus, Süddeutsche Zeitung 06.11.2022 stellt die Frage, ob sich nicht strukturell etwas geändert hat, was man mit dem “Gedankenbild des Feudalismus” bezeichnen könnte: Statt Kapitalakkumulation durch Produktion zu betreiben, saugen die Plattformen wie Uber, Airbnb und Doordash die zugrundeliegende Ökonomie parasitär aus: “Durch Plattformunternehmen unterwerfen sich Handwerker, Putzfrauen, Hundespaziergänger, Reinigungskräfte einem neuen Mittelsmann, der Kundenbeziehung und Marktzugang kontrolliert. Und während diese Arbeiter früher einen eigenen Verdienst hatten, zieht nun der eigentlich überflüssige Vermittler eine neue Gebühr ein.”
Durch die sozialen Plattformen wie Facebook, Twitter und Youtube sollte der soziale Zusammenhalt durch Austausch verbessert werden. Stattdessen stellen wir Informationen zur Verfügung, die Mehrwert für Plattformen schaffen. Der Zugang zu den so entstandenen Informationen wird uns nur noch selektiv gewährt. Eine neue Kaste ist entstanden. “Diejenigen, die noch über genügend Kapital verfügen, können sich den Zugang zu einem höheren Stand erkaufen. Das Fußvolk dagegen wird in einen überfüllten und schlecht moderierten Inhalte-Slum gepackt, der von den Lehnsherren mit Werbung und Mikrotransaktionen gepflastert wird.”

Russisches Desinformationsökosystem

In einem Interview von Sven Scharf mit dem Kommunikationsexperten Lutz Güllner: Russische Desinformationskampagnen “In den sozialen Medien sehen wir verdeckte Geheimdienstoperationen” Spiegel 27.10.2022 (hinter der Bezahlschranke) wird beschrieben, wie russische Desinformation mit unterschiedlichen Instrumenten und Gruppen arbeitet, die nicht alle zentralisiert und gesteuert sind. Dieses “Desinformationsökosystem” fügt einerseits willkürliches Bildmaterial mit konstruierten Erzählungen zusammen, die leicht im Internet als Fake entlarvt werden können. Dem gegenüber stehen hochprofessionelle Kampagnen, z.B. das zahlreiche Klonen von Presse-Webseiten. Ziel sind zwei Dinge: “Erstens: Personen zu überzeugen oder zumindest zu verunsichern. Und zweitens: Manchmal geht es gar nicht darum, die Leute direkt von der russischen Sichtweise zu überzeugen, sondern einfach nur darum, Verwirrung zu stiften.” Die Entwicklung zahlreicher Narrative oder die Kombination von Informationen mit falschen Kontexten soll zur Desorientung der Empfänger führen. Offizielle Verlautbarungen, staatliche Medien, Internetportale ergänzen einander. “In den sozialen Medien sehen wir geradezu verdeckte Geheimdienstoperationen: mit falschen Identitäten, mit Verstärkungen oder mit Strategien, um die Inhalte stärker zu verbreiten zu verstärken.”

Datenschutz als Supergrundrecht

Ist Datenschutz ein Sondergrundrecht, das alle anderen Grundrechte aushebelt?  Jürgen Kühling, Boris Paal und Rolf Schwartmann: Die Ambivalenz des Datenschutzes, Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.10.2022 (hinter der Bezahlschranke) analysieren die Ambivalenz des Datenschutzes. Durch seine Rechtsprechung hat sich das EuGH als wichtiges Grundrechtsgericht etabliert, das Datenschutz auf verschiedenen Ebenen – auch gegenüber den G A F A (G für Google, A für Apple, F für Facebook und A für Amazon) – durchsetzt. Die Frage wird gestellt, ob andererseits nicht die andere Seite zu kurz kommt: Förderung des freien Datenverkehrs, “Grundrechtseinbußen” durch Mangel an Datenverarbeitung. “Datenschutz ist kein uneingeschränktes Recht, sondern muss in praktische Konkordanz mit einer Vielzahl von Gemeinwohlinteressen gebracht werden…Datenschutz ist keineswegs ein Super(grund)recht.” Der Mensch ist sowohl “Schutzobjekt und Wirtschaftssubjekt zugleich”. “Diese Entwicklung bedarf eines adäquaten Schutzrechts, nicht aber einer Verhinderungsrechtsprechung.”