Soziale Medien verändern Gehirn

Der transdisziplinäre Rat für Digitale Ökologie (rdö) hat ein Positionspapier “Social Media als Verhaltenssucht” erstellt. Der Inhalt:
“Social-Media-Plattformen manipulieren gezielt unser Dopaminsystem. Sie machen sich die Mechanismen des menschlichen Lernens zu Nutze. Das ergeben neueste neurologische Forschungen. Schon seit über hundert Jahren sind Werbeindustrie und Verhaltenswissenschaft miteinander verschränkt. Durch das Internet und seine Datenmengen ist dieses Zusammenspiel um ein Vielfaches wirkmächtiger geworden.
In unserem Positionspapier zeichnen wir nach, was das Scrollen neurologisch im Gehirn auslöst und wie Tiktok, Linkedin, Instagram & Co. eine Wirkmacht entfalten, die die Nutzung von Social Media zu einer nicht enden wollenden Gewohnheit machen. Der Schritt zur Social-Media-Sucht ist dann nicht mehr groß.
Das Papier behandelt:
– Wie lernen Menschen? Und welche Rolle spielt dabei Dopamin?
– Welche Design-Elemente manipulieren unser Nutzungsverhalten? („Persuasive Design“)
– Welche Rolle spielen die Algorithmen, die uns Inhalte empfehlen?
– Warum ist es wichtig, dass Social-Media-Sucht offiziell als Sucht anerkannt wird?
– Wie müssen Social-Media-Plattformen reguliert werden, um die Suchtgefahr einzudämmen?
– Welche weiteren Maßnahmen kann die Politik ergreifen?”

Kai Wiedermann: Instagram, Tiktok & Co.: Forscherin warnt vor Schäden. Berliner Morgenpost 12.12.2023

Farangies Ghafoor: Hirnforscherin über soziale Medien: „Das größte Experiment der Menschheitsgeschichte“. Bei Menschen, die intensiv soziale Medien nutzen, könnte sich das Gehirn verändern – ähnlich wie bei ADHS, sagt Frederike Petzschner. Welche Folgen das für uns hat und wie Tiktok das für sich nutzt, Tagesspiegel 12.01.2024 Im Gespräch (hinter der Bezahlschranke)
“Die Idee eines sozialen Netzwerkes ist nicht falsch, sie ist sogar gut. Die Frage ist, ob das soziale Netzwerk einen Algorithmus haben sollte, der dazu führt, dass man es möglichst lange benutzt.”

Social Media transparent

Analytische Daten zu Social-Websites (Youtube, Twitch, Facebook, Instagram, Twitter, Tik Tok, Dailymotion, Odysee, Trovo, Mixer, DLife, StoryFire) liefert die Webseite SocialBlade. Insbesondere werden Views, Abonnenten und Ranglisten angezeigt.

Ende der sozialen Medien

Severin Pomsel: Das Ende der sozialen Netzwerke – Facebook, Instagram und Co. sind zum Massenmedium geworden. Facebook und Instagram passen ihre Algorithmen an: Der eigene Freundeskreis wird immer unwichtiger. Der soziale Austausch ist längst dem passiven Medienkonsum gewichen. Neue Zürcher Zeitung 06.08.2022 (hinter der Registrierschranke) sieht in der Änderung der Algorithmen von Facebook und Instagram einen grundsätzlichen Paradigmenwandel. Das klassische soziale Netzwerk, in dem Inhalte mit Freunden geteilt werden und diese mit Kommentaren und Likes reagieren, ist schrittweise verändert worden zunächst durch die Ablösung des chronologischen Newsfeed durch das Beliebtheitskriterium und dem damit eingehergehenden Bedeutungsverlust des engsten Freundeskreises. Jetzt setzt sich die Logik von Youtube und Tiktok durch: Nutzer produzieren Inhalte, die nach Algorithmen für die Konsumenten ausgewählt und durch deren Nutzerverhalten optimiert werden. Nicht die Vernetzung, sondern der Konsum von Inhalten steht im Vordergrund.
“‘Sozial’ sind die Netzwerke heute nicht mehr. Und an die Stelle des Netzwerks ist ein `Verteilzentrum’ getreten. Aus den Plattformen sind digitale Massenmedien geworden. Sendestationen mit einem unendlichen Pool an Inhalten, die jedem Nutzer ein massgeschneidertes Programm zusammenstellen.”

Nachrichtenmüdigkeit – Fatigue

Das Reuters Institute, eine britische Denkfabrik der Universität Oxford, die sich hauptsächlich aus Drittmitteln finanziert, hat ihren jährlichen Bericht 2022 vorgelegt. 92.000 Menschen auf sechs Kontinenten wurden befragt. Die wichtigsten Ergebnisse:
– Bei bis zu einem Drittel der Menschen (teilweise in Brasilien 54 Prozent und Großbritannien 46 Prozent herrscht eine Nachrichtenmüdigkeit (Fatigue) vor: Nachrichten werden entweder bewusst gemieden oder selektiv gemieden
– Das Interesse an Nachrichten geht vor allem bei zwei Gruppen zurück: 1. Jüngere, weniger gut ausgebildete, online aktive Menschen. 2. Menschen, die sich nicht auf neue Angebote des Internet einlassen wollen.
– Jüngere Menschen mit einer Affinität zu sozialen Medien konsumieren Nachrichten eher bei Instagram, TitkTok, Youtube oder Spotify
Bleiben viele Menschen in einem Gefühl der Machtlosigkeit zurück?
“More people are disconnected, interest in news is down, selective news avoidance up, and trust far from a given. The Ukraine crisis, and before it the COVID-19 pandemic, have reminded people of the value of accurate and fair reporting that gets as close to the truth as possible, but we also find evidence that the overwhelming and depressing nature of the news, feelings of powerlessness, and toxic online debates are turning many people away – temporarily or permanently. Paywalls and registration gates may not be helping either, putting further barriers in the way of the content that audiences want to consume, even as they are creating more sustainable businesses for some.”

Digital News Report 2022
Executive Summary
Video Summary
Esther Menhard: Reuters Digital News Report: Mehr Menschen meiden News, netzpolitik.org 17.06.2022