Hippokratischer Eid der Modellierer

Inzwischen liegt der Bericht des Sachverständigenausschusses nach § 5 Absatz 9 Infektionsschutzgesetz zur Evaluation der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik vor. 

Allerdings fehlt bei der Beurteilung der Maßnahmen eine kritische Betrachtung der Narrative, die die Pandemiepolitik begründet und begleitet haben:

Es ist zu befürchten, dass mit den gleichen Modellen operiert werden wird. Deshalb sei hier auf Emanuel Dermans Hippokratischen Eid für Modellierer hingewiesen.

Er hat 2009 ein Manifest veröffentlicht Financial Modelers’ Manifesto, in dem er den Unterschied zwischen physikalischen Modellen und finanzmathematischen Modellen und schließlich der Realität betont. “Modelle sind im Grunde Werkzeuge für ungefähres Denken”. 2011 hat er diese Überlegungen noch systematisiert und erweitert. Emanuel Derman: Models. Behaving. Badly. Why confusing illusion with reality can lead to disaster, on Wall Street and in life  2011
als pdf abzurufen auf archive.org

S. 198/199

The Modelers’ Hippocratis Oath
I will remember that I didn’t make the world, and it doesn’t satisfy my equations.
Though I will use the models I or others create to blodly estimate value, I will always look over my shoulder and never forget that the model is not the world.
I will not be overly impressed by mathematics. I will never sacrifice reality for elegance without explaining to tis end users why I have donse so.
I will not give the people who use my models false comfort about their accuracy.
I will make the assumptions and oversights explicit to all who use them.
I understand that my work may habe enormous effects on society and the economy, many beyound my apprehesion.

Der Hippokratische Eid der Modellierer
Ich werde mich daran erinnern, dass ich die Welt nicht erschaffen habe, und sie erfüllt meine Gleichungen nicht.
Obwohl ich die Modelle, die ich oder andere erstellen, verwenden werde, um den Wert zu schätzen, werde ich immer über meine Schulter schauen und nie vergessen, dass das Modell nicht die Welt ist.
Ich werde mich von der Mathematik nicht allzu sehr beeindrucken lassen.
Ich werde niemals die Realität für Eleganz opfern, ohne den Endbenutzern zu erklären, warum ich das so gemacht habe.
Ich werde den Leuten, die meine Modelle verwenden, keinen falschen Trost über ihre Genauigkeit geben.
Ich werde die Annahmen und Versäumnisse für alle, die sie verwenden, explizit machen.
Ich verstehe, dass meine Arbeit enorme Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft haben kann, viele bedauern meine Einschätzung.

Terminologiedatenbank Pandemology zu Covid 19

Pandemology ist eine Terminologiedatenbank, die Zugang zu COVID-19-Terminologie in mehreren Sprachen bietet.

“With Pandemology we would like to provide a multilingual database for terminology that can help tackle the challenges of COVID-19 (also called coronavirus) and beyond by offering the opportunity to discuss, verify and agree on terminology. Feel free to create new entries – it does not matter whether you are a translator, medical professional or work in another sector.

We hope that this terminological project will enable international collaboration and bring the world closer together in these difficult times. Should you have any questions or suggestions for improvement, we look forward to hearing from you.”

https://pandemology.wordpress.com/

Covid-19: Gefangen im physikalischen Datenmodell

Der Expertenrat Corona der Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat in seiner 6. und abschließenden Stellungnahme “Das Coronavirus als Teil unserer Lebenswirklichkeit begreifen” auf die drohende “unfruchtbare Dominanz von allein auf das Infektionsgeschehen konzentrierten Modellanalysen” hingewiesen:
„In der aktuellen Pandemie hat sich deutlich gezeigt, dass neben der unverzichtbaren naturwissenschaftlichen und medizinischen Expertise dringend sozialwissenschaftliche Kompetenzen vor allem der Soziologie und Sozialpsychologie, sowie historische, rechtliche, ethische und kommunikationswissenschaftliche Expertise sowie die breite Erfahrung von Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens einbezogen werden sollten. Wird diese Chance versäumt, einen multi- und transdisziplinären Diskurs zu organisieren, droht eine unfruchtbare Dominanz von allein auf das Infektionsgeschehen konzentrierten Modellanalysen.“
Dies stimmt in der Aussage mit meinem Beitrag “Corona: Physikalische oder soziologische Modelle” überein. Allein: Dies ändert nichts an der Dominanz der physikalischen Modelle, die sich selbst gegen geringfügige Modifikationen immunisieren.
Tobias Haberkorn hat in einem Beitrag “Der große Modelliererstreit: Wurden die Kontaktbeschränkungen überschätzt? Einer der angesehensten Mathematiker Deutschlands hat eine systematische Verzerrung in den Pandemieprognosen entdeckt. Was folgt daraus?” Berliner Zeitung 27.6.2021 nachgezeichnet, wie allein Änderungen von Parametern innerhalb der Modellierungen – nicht etwa empirische Daten über das Verhalten innerhalb gesellschaftlicher Strukturen – ausreichen, um aus dem wissenschaftlichen Diskurs ausgegrenzt werden. Die Mathematiker Mathias Kreck und Erhard Scholz kritisieren das empidemiologische SIR-Standardmodell, das den Beitrag eines Infizierten als exponentialverteilt annimmt: “Sofort nach der Ansteckung ist g(t) maximal und sinkt dann recht schnell in Richtung der Null ab, ohne diese je zu erreichen. Der Hintergrundfunktion zufolge ist ein Positiver also ganz zu Anfang seiner Infektion für seine Mitmenschen am gefährlichsten.” Gegen dieses Modell eines unrealistischen Infektionsverlaufs entwickelten sie ein eigenes Modell: “Kreck und Scholz entwickelten ein diskretes Modell, in das die biologische feststellbare Viruslast und andere real erhebbare Daten wie die tägliche Zahl der Neuinfektionen, die Zeit zwischen Symptombeginn und Quarantäne, die veränderlichen Kontaktraten direkt einfließen.” Praktische Folge wäre gewesen, die Zeit bis zu einer Quarantäne zu verkürzen.
Natürlich werden wir hier nicht klären können, welche Modellrechnung richtiger ist. Aber wichtig erscheint mir, dass es nach wie vor keinen breiten öffentlichen Diskurs über Daten und Datenmodelle gibt.

Matthis Kreck, Erhard Scholz: Nur einen Tag! Eine effektive ergänzende Massnahme zur Eindämmung von Covid 19 (Kurzfassung)
Matthis Kreck, Erhard Scholz:Studying the course of Covid-19 by a revursive delay approach

Corona: Physikalische oder soziologische Modelle

Sind die Modelle der Physik und Mathematik, die zur Zeit fast allein als wissenschaftliche Orientierung in der Corona-Pandemie dienen und scheinbar exakte Antworten liefern, zur Orientierung in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion geeignet oder müssen die Sozialwissenschaften ihre Erkenntnisse und Analysen einbringen? Diese Frage stellt – hinter der Bezahlschranke – Wolfgang Streek, Soziologe und ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln. Wolfgang Streek: Welchen Wissenschaftlern folgen wir in der Pandemie? FAZ 11.01.20121

Der Soziologe Andreas Dieckmann: Gegen den Blindflug. Coronakrise. Um die Effekte der politischen Entscheidungen zu überprüfen, braucht es derzeit vor allem valide Daten. Liefern könnte diese die empirische Sozialwissenschaft, Der Freitag 30.03.2020 hat schon im März ein entsprechendes sozialwissenschaftliches Forschungsprogramm entworfen.
Dieckmann verzichtet zwar schon im vorhinein auf Datamining. “Trotz Unmengen von Big Data wissen wir hingegen wenig über die Verbreitung des Virus.” Der Verzicht auf diese wichtige Quelle zeigt, dass auch die Soziologie ein digitales Defizit hat. Immerhin bleiben die klassischen Instrumente der empirischen Sozialforschung: “Es gibt in der Statistik und Umfrageforschung aber ein probates Mittel, um solche Informationen zu gewinnen: Wenn Katastrophen passieren, politische Ereignisse eintreten oder Wahlen geplant sind, können Umfrageinstitute sehr schnell Meinungen, Reaktionen und Wahlabsichten anhand einer repräsentativen Stichprobe erheben. Diese Methoden der empirischen Sozialforschung sollte man jetzt einsetzen. Um wirklich verlässliche Daten zu gewinnen, wäre es sinnvoll, eine größere Zufallsstichprobe von Personen aus den Gemeinderegistern zu ziehen, diese auf das Virus testen und in einer kurzen telefonischen oder schriftlichen Befragung Angaben zu demografischen Merkmalen, Mobilität und sozialen Netzwerken einholen.” Aber selbst von diesem vielsprechenden Konzept, das sich an die Gesundheitsstudie „Nationale Kohorte“ (NAKO) anlehnen sollte, ist weit und breit nichts zu sehen.
(Nachtrag: In der ZEIT vom 04.02.2021 Papierausgabe beschreibt Katharina Menne: Wo wir uns anstecken, weiß kein Mensch. Warum wissen wir auch ein Jahr nach der Pandemie immer noch so wenig über das Virus und seine Verbreitung, dass die vom RKI erhobenen Daten  meist unvollständig, nicht repräsentativ sind und nur eine Momentaufnahme zeigen. Nur eine langfristig angelegte Kohortenstudie mit großen und regelmäßigen Stichproben könnten die Zusammenhänge “zwischen Lebensumständen und Ansteckungsrisiko ableiten” . 
“Rainer Schnell, Professor für Methoden der empirischen Sozialforschung an der Universität Duisburg-Essen, hat schon früh eine solche Studie gefordert. ‘Wir haben auf direkten und indirekten Wegen versucht, die Landesregierung NRW, das Bundesgesundheitsministerium und das RKI im März 2020 darauf aufmerksam zu machen, dass wir eine solche Studie brauchen’, sagt er. ‘Aber wir haben bis heute keine Antwort erhalten, nicht mal eine Absage oder eine Begründung, warum es nicht von Interesse ist.’ ” (siehe dazu auch: Rainer Schnell, Menno Smid, Horst Müller-Peters, Anke Müller-Peters: Stichproben für die COVID-19 Forschung, in: Marktforschung  27.05.2020)
Gibt es eine derartige Kohortenstudie oder ist sie geplant? Es gibt NICHTS.)

Udo Thiedeke: Der stille Frühling der Soziologie. Wie die Corona-Krise Gewissheiten der Soziologie herausfordert, in: Hypotheses 14.04.2020 beschreibt die Herausforderungen:
Und noch etwas drängt sich einer in die Mikroperspektiven weltkonstruierender Subjekte vertieften Soziologie ins Blickfeld. Mit einem Mal sind auch die vergessenen „soziale[n] Tatsachen“ (Durkheim 1976) wieder aktuell.
Die institutionellen Handlungs- und Verhaltensorientierungen stellen nicht nur „Narrative“ dar, die man in „Sprachspielen“ mittels „Diskurskritik“ einhegen kann. Sie offenbaren ihren Zwangscharakter konkret und kollektiv und werden in ihrer Macht wirksam, die subjektive Praktiken und Routinen übergreift.”
“Vielleicht sollte also auch die Soziologie die Krise in ihren Besonderheiten als Chance sehen, nicht nur die sozialen Veränderungen mit zu protokollieren, Daten zu „erheben“ und dann mit den allzu bewährten Ansätzen zu interpretieren. Es wäre an der Zeit neue, zumal theoretische, soziologische Konzepte zu entwickeln, die in der Lage sind, die Auswirkungen gesellschaftsübergreifender Entwicklungen als soziale Tatsachen auch für die Individuen mit ihren nur relativen Autonomiemöglichkeiten zu erfassen. Das aber müsste zweifellos in einer zeitgemäßen Form, nämlich kontingenzsensibel und komplexitätstauglich geschehen.”

Allerdings gibt es durchaus zahlreiche sozialwissenschaftliche Analysen zur Gesellschaft in Pandemie-Zeiten. Anbei einige Hinweise, weitere lassen sich in Google Scholar und verschiedenen Datenbanken und Suchmaschinen finden:
Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie: Corona-Krise
American Sociological Assocation: Sociologists and Sociology During COVID-19
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung: Soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise
Soziopolis: Soziologisches zur Pandemie
– Die über 200 Open Source Dokumente des Social Science Open Access Repository  (SSOAR) (Suchbegriff Covid 19) 
– Das Buch Michael Volkmer / Karin Werner (Hg.): Die Corona-Gesellschaft. Analysen zur Lage und Perspektiven für die Zukunft, Transcript Verlag 2020 
– Das Buch Fiorenza Gamba, Marco Nardone, Toni Ricciardi, Sandro Cattacin (Hrsg.): COVID-19. Eine sozialwissenschaftliche Perspektive, Seismo 2020 

Natürlich setzen die Sozialwissenschaften selbst mathematische Modelle ein. Aber weder werden diese noch die Mittel der empirischen Sozialforschung genutzt, noch die mathematischen Modelle kritisch untersucht. 

Es verbleibt das Bild der Gesellschaft als einer Ansammlung von Individuen mit ihren verletzlichen Körpern. Das merkwürdige Zusammenfinden und Verhalten der Menschen wird nur mit Augen eines Virus gesehen. Die RNA des Coronavirus kann nur aus dem Reich der Untoten erwachen, wenn es auf eine lebendige Zelle trifft. Durch die Verhinderung, dass das Virus von einem Individuum zum nächsten springt, ergibt sich die Fokussierung auf das egalitäre und zu klassifizierende Individuum, auf das die physikalischen und mathematischen Modelle setzen.
“Das Standardmodell zur Beschreibung der Dynamik einer Epidemie ist das sogenannte SIRD-Modell. Es unterscheidet in einer statistischen Gesamtheit (z.B. die Einwohner Deutschlands) vier Gruppen von Personen: prinzipiell Empfängliche, die sich mit einer Krankheit anstecken können (S für engl. Susceptible), Kranke bzw. Infizierte (I für engl. Infected oder Ill), Genesene (R für engl. Recovered) und Verstorbene (D für engl. Deceased oder Died). Um nun die Dynamik einer Epidemie zu beschreiben, muss man die Veränderungen der Anzahlen dieser vier genannten Gruppen zunächst einmal verstehen, dann durch Gleichungen beschreiben und schließlich mit einem Modell der numerischen Mathematik lösen. “
Der Einsatz mathematischer Modelle in der Corona-Krise 
Daraus erwächst eine Korrelation zwischen dem klassifizierten Zustand der Individuen im Verhältnis zur Gesamtzahl.
In dieses Analyse- und Handlungsmodell passen die Alten- und Pflegeheime als Heterotopien (Foucault) nicht. Als weder öffentlicher noch privater Raum mit eigenen Zugangsritualen gilt hier nicht das Konzept autonomer verletzlicher Körper, die für ihre Infektion eigenverantwortlich einzustehen haben. Der unzureichende Schutz dieser Institutionen, denen man trotz hoher Sterbezahlen verspätet und nur auf Drängen einige Masken und Tests zuteilt, geht darauf zurück, dass sich anderenfalls die Frage stellt: Wenn man hier einen sozialen Raum mit seinen Gesetzmäßigkeiten und Verhaltensweisen kausal identifiziert und entsprechend schützt, warum macht man es nicht mit anderen sozialen Räumen und Prozessen der Gesellschaft? Die Aggressivität, die jedem entgegenschlägt, der fordert, Risikogruppen gesondert zu schützen, hängt auch damit zusammen, dass nicht nur das Konzept in Frage gestellt wird. Sondern man weiß auch nichts von den Strukturen und will auch nichts wissen.
Das Fatale ist nur, dass die wissenschaftlich-technische Ästhetik der Statistiken einerseits die Vision der Kontrolle, aber andererseits auch die Quelle von Skeptizismus, Verleugnung und Verschwörung enthält.
So entsteht aus der Phantasmagorie der Gesellschaft als Klumpenhaufen von Individuen, der Herrschaft der Korrelation, der Ästhetik der Statistiken, der Priorisierung des Datenschutzes, der Lobpreisung mathematischer Modelle, der dystopischen Darstellung der Pandemie – und der Leugnung, der Hingabe an Verschwörungsmythen andererseits, aus Glauben, Meinen und Wähnen ein „stahlhartes Gehäuse“ (Max Weber).
Es wird später sozialwissenschaftlich zu untersuchen sein, warum eine Gesellschaft lieber ihr Shutdown riskiert, statt alle Instrumente, alle Daten, alle digitalen Kontrollmöglichkeiten, alle Modelle aller Wissenschaften einzubeziehen, um aufgrund der Erkenntnis kausaler Strukturen in einer solchen gefährlichen Pandemie zu handeln.

Coronavirus: die Hölle der Normalverteilung
Informationen und Quellen zu COVID-19
Corona App: Scheitern und Schuld
CORD-19: The Covid-19 Open Research Database
Covid-19: KI produziert Datenmüll
Covid-19 Impfstoffe
Covid-19 Test

Covid-19 Test

Eine Übersicht über aktuelle Covid-19 Testverfahren gibt die Website FIND – Because diagnosis matters     https://www.finddx.org/.
Sie beschäftigt sich generell mit Testverfahren für verschiedene Krankheiten: “OUR VISION is a world where diagnosis guides the way to health for all people. OUR MISSION is turning complex diagnostic challenges into simple solutions to overcome diseases of poverty and transform lives.
Für Covid-19 ist eine spezielle Rubrik eingerichtet: COVID-19 DIAGNOSTICS & TESTING
“FIND and The Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria are co-conveners of the Access to COVID-19 Tools (ACT) Accelerator Diagnostics Pillar. The ACT-Accelerator is a ground-breaking global collaboration to accelerate the development, production, and equitable access to COVID-19 tests, treatments, and vaccines. It was set up in response to a call from G20 leaders in March and launched by the WHO, the European Commission, France and the Bill & Melinda Gates Foundation in April 2020.
This diagnostics resource centre provides information, updates and progress on tests and testing, in support of the agenda set out in the ACT-Accelerator Diagnostics Pillar investment case.”

Maske und digitale Welt

Manuel Müller: Ja, die Maske macht etwas mit uns. Denn wir werden anders, sobald wir uns verstecken können, Neue Zürcher Zeitung 02.09.2020 analysiert, wie das Tragen der Mund/Nasen Maske das Verhalten beeinflusst. Mit dem Verlust der Mimik und der Reduktion auf die Augen sei das Verhalten der digitalen Welt in der analogen Welt angekommen. “Das ist die gleiche Position, die wir hinter unseren Bildschirmen und Smartphones einnehmen. Auch da sind wir meist in der absoluten Beobachterperspektive. Wir klicken uns durch die digitale Welt.” Er stellt die Frage, ob nicht eine “Entsozialisierung” eintritt analog dem Verhalten von Autofahrern, die sich im sicheren Gehäuse geborgen fühlen und das Gegenüber als Objekt wahrnehmen, dem man auch aggressiver entgegentreten kann.

Covid-19 Impfstoffe

Die Seite COVIDVAX https://covidvax.org/  gibt einen aktuellen Überblick über die Covid-19 Impfstoffe nach
– Stand der Entwicklung (Current Stage): Ready for distribution, Testing on humans, Testing on animals, Still in development
– Verteilung (distribution)
– Kategorie (category): protein-based, nucleic-acid, viral-vector, virus, other

Covid-19: KI produziert Datenmüll

Die Ergebnisse von Anwendungen Künstlicher Intelligenz (KI) sind schwierig zu evaluieren. Es scheint, dass einige Unternehmen, wie das von dem CDU Politiker Philipp Amthor lobbyierte Augustus Intelligence nur aus geschickter Public Relation besteht. Es soll, so das Handelsblattkein Produkt, keine Kunden und keine Umsätze“ haben.

Das Allen Institute for Artificial Intelligence (AI2), das vom verstorbenen Microsoft-Mitbegründer Paul Allen gegründet wurde und KI-Systeme mit Argumentations-, Lern und Lesefähigkeiten konstruiert, präsentiert SCIFACT, das Fachliteratur zu Covid-19 automatisch klassifizieren soll. Eine Anwendung, die für das Information Retrieval von größtem Interesse sein könnte.

About our model: Our system is designed as a research tool to help scientists identify relevant findings in the research literature. It is NOT designed to detect misinformation or disinformation in the news or social media…. Our system can assess whether a scientific paper provides evidence supporting or refuting a scientific claim.” In dem Preprint “Fact or Fiction: Verifying Scientific Claims” auf arxiv.org wird das Verfahren erläutert.

Analysieren wir die einzelnen Komponente von SCIFACT:

Datenbasis
– Wikipedia
Es wird nicht dargestellt, welche Daten aus Wikipedia übernommen werden. Aufgrund der sozialen Konstruktion von Wikipedia und der unterschiedlichen Qualität der Artikel ist eine kritische Prüfung auf Plausibilität, Vollständigkeit und Objektivität an externen Quellen immer erforderlich. Der Verweis auf FEVER (a large-scale dataset for Fact Extraction and VERification), das Wikipedia-immanent Sätze abprüft, reicht nicht aus.
– Abstracts von S2ORC-Artikeln
Eine Auswahl von Open Source Artikeln in S2ORC  (The Semantic Scholar Open Research Corpus) , die aus zuverlässigen Quellen stammen und mindestens 10 Zitierungen aufweisen.
Mit Hilfe studentischer Hilfskräfte werden aus diesen Artikeln Behauptungen (Claims) extrahiert und nach SUPPORTS, REFUTES, NOINFO einer Behauptung klassifiziert.
Abgesehen von der fachlichen Kompetenz der studentischen Hilfskräfte werden statisch die Aussagen der Wissenschaftsparadigmen eines bestimmten Zeitpunkts festgehalten. Nicht zuletzt der Wissenszuwachs zu Covid-19 verdeutlicht die Problematik des Vorgehens. Zusätzlich erfolgt eine Komplexitätsreduktion wissenschaftlicher Analyse und Diskurs durch Klassifikation auf 3 Elemente: Zustimmung, Ablehnung, Neutral.

Verfahren
Anschließend prüft ein neuronales Netzwerk die Claims gegen Abstracts, also nicht den Volltext, der Fachliteratur. Während in der dokumentarischen Arbeit der Fachdatenbank das Abstract mit DIN und ISO-Normen eine kurze, genaue und neutrale Wiedergabe des Inhalts gewährleistet, steht im wissenschaftlichen Abstract die Funktionserfüllung im Zentrum: der intendierte Adressat soll entscheiden, ob er den Originaltext lesen sollte, muss also eine kommunikative Funktion innerhalb der wissenschaftlichen Zielgruppe erfüllen.

Ergebnis

Bewertung
Bei dieser Art von Fact Checking handelt es sich um ein komplexes semantisches Problem. Ausgehend von einer fragwürdigen Datenbasis und normativen Festlegungen soll mit pattern matching zweier Textsorten eine inhaltliche Relevanz erzielt werden. Was soll z.B. eine derartige 58%ige Übereinstimmung für wissenschaftliche Relevanz bedeuten?

„Insofern kann die Arbeit als erster Beleg für die Machbarkeit eines KI-basierten Systems für Fakten-Checks gelten“, jubeln die IT-Nerds von Heise. Dies lässt das Schlimmste für zukünftige Evaluationen von KI-Anwendungen befürchten. Denn was hier produziert wird, ist Datenmüll.

Weitere Links zu SCIFACT:
https://www.heise.de/news/KI-Werkzeug-soll-Fachliteratur-zu-Covid-19-automatisch-einschaetzen-4772788.html
https://www.technologyreview.com/2020/05/29/1002349/ai-coronavirus-scientific-fact-checking/
https://theusbreakingnews.com/allen-institutes-verisci-uses-ai-to-fact-check-scientific-claims/
https://venturebeat.com/2020/05/04/allen-institutes-verisci-uses-ai-to-fact-check-scientific-claims/

CORD-19: The Covid-19 Open Research Database

Neben den Information der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) – Informationszentrum Lebenswissenschaften hat in den USA Semantic Scholar, “a team of researchers and engineers at the Allen Institute for AI building a smarter way to search and discover scientific knowledge, powered by state-of-the-art AI technology, completely free to use by scholars everywhere” eine umfassende Datenbasis zu COVID-19 aufgebaut: CORD-19. Sie enthält zur Zeit ca. 59.000 Dokumente (Metadaten und Volltexte). Metadaten, Paper und Preprints aus verschiedenen Quellen werden geladen. Metadaten werden harmonisiert und Dubletten entfernt. Aus den Dokumenten wird der Volltext extrahiert und suchbar gemacht. Das Verfahren wird in einem Paper beschrieben CORD-19: The Covid-19 Open Research Database. Neben den Dokumenten selbst werden verschiedene Suchoptionen und Instrumente zur Visualisierung von Forschungszusammenhängen und Begriffen angeboten.

Buchseite 1 von 2
1 2