Betrug bei Google Scholar

Hazem Ibrahim, Fengyuan Liu, Yasir Zaki1, Talal Rahwan: Google Scholar is manipulatable, Studie auf arxiv.org 07.02.2024 zeigen auf: Fake Artikel können bei Google Scholar gelistet werden und Fake-Zitierungen können bei Firmen bestellt werden. “Citations are widely considered in scientists’ evaluation. As such, scientists may be incentivized to inflate their citation counts. While previous literature has examined self-citations and citation cartels, it remains unclear whether scientists can purchase citations. Here, we compile a dataset of ∼1.6 million profiles on Google Scholar to examine instances of citation fraud on the platform. We survey faculty at highly-ranked universities, and confirm that Google Scholar is widely used when evaluating scientists. Intrigued by a citation-boosting service that we unravelled during our investigation, we contacted the service while undercover as a fictional author, and managed to purchase 50 citations. These findings provide conclusive evidence that citations can be bought in bulk, and highlight the need to look beyond citation counts.”

Digitaler Neustart

Martin Andree, Karl-Nikolaus Peifer: Befreit das Netz. Eine Handvoll Tech-Konzerne beherrscht das Internet – dabei könnten wir das leicht ändern und obendrein noch unsere Demokratie retten., Süddeutsche Zeitung 08.02.2024 (hinter der Bezahlschranke)
Ausgehend von den Symptomen im digitalen Raum (Desinformation, Radikalisierung, Onlinemobbing, Polarisierung) analysieren die Autoren “das Problem der digitalen Monopolbildung, das die grundlegenden Strukturen unserer pluralistisch-freiheitlichen Ordnung aus den Angeln hebt”. Da die drei größten Internetkonzerne 80 bis 90 Prozent der digitalen Werbeinnahmen auf sich ziehen, bleiben für den Rest kaum auskömmliche Finanzen übrig. Ursache ist eine fehlende Regulierung des Marktes und der Inhalte. Die Autoren fordern einen “digitalen Neustart”: Öffnung der Plattformen, offene Standards, Trennung von Übertragungswegen und Inhalten, Bündelung der kontrollierenden Instanzen an einer zentralen Stelle.

Google Kritik

The State of Google Critique and Intervention, Big Data & Society, March 2023
“This special issue focuses on Google as an object of critical study and European interventions that increasingly strive to counteract its dominance. Grounded in empirical case studies, it traces the politics of search engines to its very beginning by revisiting Brin’s and Page’s “mixed motives” of the PageRank algorithm and how they contributed to surveillance capitalism. It analyses search engine bias and discrimination by focusing on “data voids” and how they may potentially be filled with extreme right-wing sources, as well as the patching of “offensive results”, both past and present. It poses the question of how Google’s ubiquity is complicit in the creation of ignorance in the context of the climate crisis. Beyond the critique, it finally investigates how providers of alternative search engines counter-imagine hegemonic search and what interventions may help these projects to grow out of their niches, especially in Europe where social values and fundamental rights are strongly upheld in policy rhetoric. The special issue closes with two commentaries embedding “the State of Google Critique and Intervention” in larger discussions on the ethical dimensions of Google Autocomplete and the political economy of technical systems.”

KI killt das Internet

Unter bezug auf den Essay von James Vincent in “The Verge” reflektiert Adrian Lobe: Google war einmal, was kommt als Nächstes? – Die KI killt das alte Internet, vor unseren Augen entsteht gerade ein neues Web, Neue Zürcher Zeitung 04.12.2023 über den Strukturwandel des Internet. “KI könnte die Art, wie in der Wissenschaftsgesellschaft Informationen produziert und rezipiert werden, radikal verändern. Die Idee der KI-Vordenker ist es grob gesagt, das Internet in eine Box zu packen und einen neuen Hypertext zu weben. Statt Websites zu indexieren und nach Relevanz zu sortieren, wie es Google tut, werden die Texte von Wikipedia, Reddit und anderen Quellen, mit denen KI-Systeme wie Chat-GPT trainiert werden, nach einem Wahrscheinlichkeitsmodell neu arrangiert.” Damit gehen drei Prozesse einher: Die Inhalte des Internet werden von der KI verdaut, es bleibt nur noch die technische Verbindung des Netzwerks. Indem hochwertige urheberrechtlich geschützte Inhalte sich vor automatisierten Zugriff der KI abschotten, bleibt nur der Rest, bis zuletzt KI-Systeme mit KI-Inhalten gefüttert werden. Die Such- und Filterfunktionen der Suchmaschinen werden überfordert.

Google und die Zukunft der Suche

Oliver Voß, Tanja Kunesch: Suchmaschinen-Experte Dirk Lewandowski: „Der größte Fehler ist, Google blind zu vertrauen“, Tagesspiegel 04.09.2023 (hinter der Bezahlschranke) In dem Interview skizziert Lewandowski den Aufstieg von Google durch den Page-Rank-Algorithmus und linkbasierte Verfahren. Das Problem, das durch die Monopolstellung von Google entsteht, ist, dass dadurch bestimmt wird, was wir sehen. “Wir wissen gar nicht, was uns entgeht.” Durch die Anzeige von werbebasierten Suchergebnissen an den ersten Trefferpositionen wird das Suchergebnis verzerrt, insbesondere, da viele Nutzer zwischen Werbung und anderen Suchergebnissen nicht zu unterscheiden wissen. ChatGPT ist eine Suche mit textbasierten Antworten, die den Erwartungen der Benutzer nach einer direkten Antwort entgegenkommt. Allerdings wird das bisherige Geschäftsmodell total verändert. “Wenn eine KI einfach die Inhalte nimmt und verwurstet, klickt niemand mehr auf die ursprünglichen Seiten.” Eine zukünftige Lösung sieht er einmal in speziellen Suchmaschinen, die nur bestimmte Quellen abdecken. Zum anderen aber wüäre es sinnvoll, “einen öffentlich finazierten Index des Web zu erstellen, einen Open Web Index”. Darauf könnten verschiedene Suchmaschinen aufbauen.

Stirbt Google?

Wie verändert die Künstliche Intelligenz Suchen und Suchmaschinen?) Titus Blome: Google stirbt. Künstliche Intelligenz soll künftig in die Suchmaschine integriert werden. Das zwingt uns alle zu einer großen Umstellung, in: Süddeutsche Zeitung 07.08.2023 (hinter der Bezahlschranke) beschäftigt sich mit geplanten Einsatz von KI bei Google. Wird bei einer Suchanfrage nicht mehr eine Liste von Links erstellt, sondern eine Zusammenfassung des Inhalts, so entfällt auch die Weiterleitung der Suchenden auf diese Webseiten. Fehlen aber dort die Besucherzahlen, können sich die Angebote nicht mehr durch Werbung finanzieren. Er sieht eine Zweiteilung des Internets: Geschlossene, durch Bezahlschranken geschützte Anwendung, die sich selbst finanzieren müssen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ein noch offenes Internet, das über durch massenhaft generierte minderwertige Inhalte überflutet wird. Die Zukunft der Suchmaschinen wird darin liegen, diese Inhalte auszuschließen und zuverlässige Informationen zu sichern. “Der Wert der alten Suchmaschinen liegt darin, wie viel sie einbeziehen. Der Wert der neuen Suchmaschinen wird darin liegen, was sie ausschließen.”

Retrieval mit ChatGPT

ChatGPT wird auch die Form des Information Retrieval grundlegend verändern.
Sascha Lobo: Das Ende von Google, wie wir es kannten. Spiegel Online 28.12.2022 sieht z.B. einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Suche, der durch die dialogische Form und eventuelle Rückkopplung bedingt ist:
“Googles Suchmaschine sieht die Welt als Liste an, eine KI in der Bauart von ChatGPT sucht einzelne, gute Antworten. Dieser technokulturelle Unterschied lässt Google als Maschine erscheinen und ChatGPT als digitalen Gesprächspartner. Und wenn etwas die bis dato extrem machtvolle Schlagwortsuche verdrängen könnte, wären es dialogartige Suchformen. Denn es ist für die Nutzenden einfacher, in normaler Alltagssprache ihre gewünschten Informationen zu bekommen.
Vor allem aber ist eine neue Suchintelligenz gefragt, die noch stärker auf die persönlichen Bedürfnisse eingehen kann. Durch die dialogische Art gibt es erstmals einen Feedback-Kanal zur Suchqualität.
Es gibt im Netz verschiedene Artikel, die die Resultate von Google und ChatGPT mit unterschiedlichen Ergebnissen vergleichen. Es gibt jetzt auch AddOns für Chrome und Firefox. Voraussetzung ist, dass man sich bei ChatGPT angemeldet hat. Versieht man die Suchbegriff noch mit einem Fragezeichen, wird parallel zur Google-Suche eine Antwort von ChatGPT ausgegeben. Allerdings fällt diese bei der Erweiterung erheblich knapper aus, als wenn direkt auf der ChatGPT-Seite die Eingabe erfolgt ist.
Ein Problem ist die Evaluation der Suchergebnisse. Ruth Fulterer: Hype um neue künstliche Intelligenz, Neue Zürcher Zeitung 24.12.2022 Papierausgabe:
“Bei einer Recherche ist zudem relevant, woher eine Information kommt. Genau das verschleiert das Sprachmodell. Auch Google filtert mit seinem Such-Algorithmus die Inhalte. Aber zumindest steht dabei, woher sie kommen. Nutzer können selbst entscheiden, welcher Quelle sie vertrauen.”
Die Gefahr besteht, das Ergebnisse von ChatGPT durch die dialogische Form plausibler erscheinen.
Teresa Kubacka, Schweizer Datenwissenschaftlerin, hat experimentell ChatGPT als wissenschaftliche Fake-News-Schleuder entlarvt. Daniel Schurter: Datenwissenschaftlerin aus Zürich warnt vor ChatGPT und den bösen Folgen. Watson.ch 13.12.2022
“«Sie liess ChatGPT einen Essay dazu schreiben und fragte den Chatbot danach mit einem Trick nach den Quellen (dabei musste sie dem Chatbot sagen, er solle so tun, als sei er Wissenschaftler). Die Quellenangaben, die das Programm dann ausspuckte, sah sich Kubacka im Anschluss näher an. Sie musste dabei feststellen, dass die Referenzen offenbar gar nicht existieren.»
Als die Datenwissenschaftlerin die Textausgabe von ChatGPT analysierte, bemerkte sie verschiedene Fälschungen. Einmal existierte zwar tatsächlich der Forschende, der das von der KI zitierte wissenschaftliche «Paper» geschrieben haben soll, doch die wissenschaftliche Arbeit gab es nicht.
Ein anderes Mal gab es zwar einen ähnlichen Forschenden an einer Universität mit ähnlichem Namen, dieser forschte aber in einem völlig anderen Bereich. Und bei weiteren Quellenangaben, die die KI machte, stellte sich heraus, dass es weder die Forschenden gab noch die referenzierte Arbeit.”

Einerseits kann die dialogische Form die Recherche erheblich verbessern, indem Aspekte eines Sachproblems aufgezeigt werden, die ansonsten vielleicht verlässigt worden wären. Bleibt es andererseits bei dem von Kubacka festgestellten Problem, müsste die Evaluation der Rechercheergebnisse bei wissenschaftlichen Themen mit neuen Techniken angegangen werden.

Google selbstreferentiell

Michael Moorstedt: Die Suchmaschine wird laut Kritikern immer schlechter. Sind wir nur zu verwöhnt, wie der Konzern behauptet?, Süddeutsche Zeitung 27.06.2022 beschreibt, wie die Google-Suche durch drie Faktoren immer schlechter wird: “Die Ergebnisse sind überladen, voll von Werbung und Produktanzeigen.” Google verweist immer mehr auf eigene Seiten, zu denen auch kleine, aus anderen Webseiten extrahierte Inhalte gehören, zu deren vollständigen Angebote der Benutzer gar nicht erst gelangt. Schließlich verzerren auch die SEO-Tools der Suchmaschinenoptimireung die Suchergebnisse. Eine umfangreiche Studie hierzu legen Adrianne Jeffries und Leon Yin: Google’s Top Search Result? Surprise! It’s Google. The search engine dedicated almost half of the first page of results in our test to its own products, which dominated the coveted top of the page, TheMarkup 28.07.2020 vor.

Überwachungskapitalismus und Demokratie

Shoshana Zuboff: Überwachungskapitalismus ist die Mutter aller Krisen Die Welt 30.11.2021 (hinter der Bezahlschranke) bzw. der Originalaufsatz Shoshana Zuboff: You Are the Object of a Secret Extraction Operation New York Times 12.11.2021

Shoshana Zuboff, emeritierte Professorin der Harvard Business School und Autorin des Buchs „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ (siehe auch Beitrag in diesem Blog Der digitale Mensch als Kadaver ) fasst zunächst die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zusammen. Der Überwachungskapitalismus beruht auf der geheimen Ausbeute und Manipulation menschlicher Daten. Seine Unternehmen “kontrollieren heute den Informationsfluss und die Kommunikation auf der ganzen Welt.” Informationsräume, die eigentlich in demokratischen Gesellschaft öffentliches Gemeingut sein sollten, “werden zur maximalen Profiterzielung streng von privaten kommerziellen Interessen beherrscht. Das Internet als selbstregulierender Markt hat sich als gescheitertes Experiment erwiesen. Der Überwachungskapitalismus hinterlässt eine Spur sozialer Verwüstung: in der Privatsphäre, die Verschärfung sozialer Ungleichheit, die Vergiftung des Diskurses, die Zerstörung sozialer Normen und die Schwächung demokratischer Institutionen.”

Zuboff skizziert den Aufstieg von Google und Facebook von einem Such- und Kommunikationsinstrument bis hin zur werbegesteuerten Überwachungsökonomie. Das Geschäftsmodell dieser Datenunternehmen hat sich auf andere Geschäftszweige – Daten, Dienstleistungen, Produkte – ausgedehnt und zieht sich in die normale Wirtschaft hinein, die sich ebenfalls Apps und Software bedient, um Daten auszubeuten und als eigenes Unternehmensvermögen zu beanspruchen. Diese Daten werden dann mittels Targeting-Algorithmen zur maximalen Ausbeute und Verhaltenssteuerung eingesetzt. Zuboff sieht “eine demokratische Gegenrevolution” als einzige Lösung an. Diese darf sich nicht auf nachgelagerte Aspekte wie Moderation von Inhalten, Überwachung illegaler Inhalte oder Zerschlagung der Firmen beschränken und konzentrieren. Sie muss sich vielmehr “auf die Grundlage der Überwachungsökonomie konzentrieren: die geheime Ausbeute menschlicher Daten aus Lebensbereichen, die einst als ‘privat’ bezeichnet wurden.” Sie sieht dies als Aufgabe der liberalen Demokratien an, in denen eine “Horizontverschiebung” im Umgang mit Daten möglich ist. Ansätze hierfür sieht sie in den USA (Kongressanhörung zum Thema Desinformation am 24. März 2021) und Europa (EU Diskussion um den Digital Services Act). Diese sind noch keine Lösung des Problems, aber die Bedeutung liegt in der Veränderung dessen, war die demokratische Gesellschaft bereit ist, zu akzeptieren.

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