Das fremdgesteuerte Netz

Adrian Lobe: Neues Feature auf X. Donald Trumps Fans twittern massenhaft aus Nigeria, Russland und Pakistan. Gaza-Berichte aus Polen, Indianer aus Bangladesch und massenweise gefakte Trump-Unterstützer-Accounts in Asien und Afrika. Ein neues Feature auf X verrät die Herkunft eines Accounts. Und es scheint die Existenz riesiger Trollfabriken zu bestätigen. Welt 25.11.2025
Mit einer neuen Funktion auf X können unter dem Beitrittsdatum Standort und Namensänderungen angezeigt werden. „Wie sich herausstellte, werden Teile der MAGA-Accounts aus „Osteuropa“ orchestriert (näher wird der Standort in den Account-Details oft nicht spezifiziert). Ausgerechnet diejenigen, die ein ethnonationalistisches Weltbild vertreten und Patriotismus predigen, erweisen sich nun als vaterlandslose Gesellen. Der Account „Trump Is My President“ ist in Mazedonien gelistet, wo im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 Studenten Fake News schrieben. Damals musste man Tweets noch von Hand schreiben. Heute geht das maschinell mit ChatGPT. Die Mehrzahl der MAGA-Accounts ist, wenn man den Angaben trauen darf, nicht in den USA registriert, sondern in Afrika – hier speziell Nigeria – und Indien. Ist MAGA also vielleicht doch eine aus dem Ausland gesteuerte Geheimdienstoperation? „ Die Standort-Zuordnungen sind wahrscheinlich allerdings nicht in jedem Fall exakt, da sie durch Reisen der Teilnehmer oder VPN verändert sein können.

Daten als Menetekel 3: 500000 Zuwanderer

Wie man aus einem Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsinstitute Menetekel- Fake-News macht

„Wir brauchen Rente mit 70 – oder 500.000 Zuwanderer im Jahr“ titelt die WELT https://www.welt.de/wirtschaft/article175616647/Wir-brauchen-Rente-mit-70-oder-500-000-Zuwanderer-im-Jahr.html 19.04.2018 und fährt im Artikel fort:
„Um die Beitragssätze angesichts der neusten Versprechen der Regierung stabil zu halten, sehen die Forscher nur zwei Optionen: Entweder die Deutschen arbeiten künftig bis über 70. Oder sie gewinnen junge, erwerbstätige Zuwanderer. In dem Fall müssten den Berechnungen zufolge jährlich mehr als 500.000 Menschen ins Land kommen.“

Mit dem entsprechenden Tenor ging diese Meldung durch die anderen Medien.

Im Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsinstitute S. 61 steht das genaue Gegenteil:
„Ein Anstieg des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Rentenversicherung könnte zwar grundsätzlich durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus oder durch eine höhere Zuwanderung jüngerer Erwerbstätiger verhindert werden. Beides scheint jedoch angesichts der notwendigen Größenordnungen wenig realistisch: Um den Beitragssatz zur Gesetzlichen Rentenversicherung nach Einführung der geplanten Leistungsausweitungen langfristig auf 20 Prozent zu deckeln, müsste das Renteneintrittsalter rechnerisch auf über 70 Jahre steigen oder die Zuwanderung jüngerer Erwerbstätiger in jedem Jahr über 500.000 Personen betragen.“

Sie fordern also weder das eine noch das andere, sondern kritisieren die Rentenerhöhung der Bundesregierung.

Daten als Menetekel 2: 100 000 Rehkitze

In dem Artikel der FAZ von Erik HechtTausende tote Rehe erfunden. Die Spur führt nach Hamburg vom 14.07.2018 , wird nachgewiesen, dass die Zahl von 100 000 Rehkitzen, die in Deutschland auf Wiesen durch Mähmaschinen sterben, von der Deutschen Wildtier Stiftung erfunden wurde. Die reale Zahl kann nur geschätzt werden und liegt vermutlich bei der Hälfte. So traurig der Tod jedes einzelnen Rehkitzes auch ist, zeigt sich hier wieder, dass es in fast allen Bereichen normal ist, mit rein erfundenen Daten die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Daten als Menetekel 1:6000 Tote

Laut Umweltbundesamt sollen jedes Jahr 6000 Menschen in Deutschland vorzeitig durch Stickoxid sterben.  In mehreren Artikel ist diese Zahl kritisiert worden, z.B. Jan Fleischhauer, Kampf gegen den Diesel. Die erfundenen Toten, in: Spiegel Online 15.03.2018  Epidemiologische Studien können nur Korrelationen aufzeigen, aber keine Kausalitäten beweisen.

Dazu die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA) , Maria Krautzberger : „Wir diskutieren im Amt immer wieder, wie man über komplizierte Daten sprechen kann, die wir erheben. Wann müssen wir vereinfachen, damit wir verstanden werden? Regierungen brauchen solche Zahlen und ihre Vergleichbarkeit, um die Summe der Gesundheitsrisiken für die Menschen zu kennen und zu wissen, wo sie etwas tun müssen.“

Kurzum: die Daten sind erfunden worden. Dieser Umgang mit Daten zeigt ein spezifisches Verhältnis zum Bürger auf. Ihm soll nicht Einsicht in die Risiken vermittelt und danach im politischen Diskurs ermittelt werden, welche Risiken mit welchem Aufwand verringert werden könnten. Er bleibt Objekt der Propaganda und darf eins nicht erfahren: Kühe könnten in Sachen Stickoxid eventuell gefährlicher sein als Autos.